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1. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 275

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
127. Die neue Zeit Mit dem 15. Jahrhundert bereitete sich ein solcher Zusammenfluß von Be- gebenheiten vor, daß in Folge derselben die spätere Zeit ihren Charakter gänzlich ändert, und daß sie deßhalb vom Be- ginne des 16. Jahrhunderts an als neue Zeitepoche neben das Mittelalter tritt. Für die Gestaltung der neuen Zeit ist in doppelter Hinsicht wichtig die Er- oberung Sonst antinopels durch die Türken (1453), zuerst in sofern, als mit ihr ein neuer Staat in Europa auftrat, dessen Verhältnisse nicht ohne Einfluß auf das europäische Staatsleben blieben; noch mehr aber aus dem Grunde, weil eine große Anzahl griechischer Ge- lehrter sich vor dem Schwerte der Er- oberer nach Italien flüchteten, wo sie Freunde, Gönner und Beschützer der Gelehrsamkeit und einen für alles Große empfänglichen Sinn antrafen. Jetzt stieg der Eifer für die Alten zu einer Begeisterung, welche über die Nachbar» länder ausströmte und überall Liebe zu tieferem Studium weckte. Zugleich war es eine besondere Gunst des Schicksals, daß wenige Jahre zuvor, ehe die Flüchtlinge des Ostens die Ueber- bleibsel einer großartigen Literatur dem Westen überbrachten, diejenige Kunst er- funden ward, durch welche allein das unschützbare Eigenthum der Vergangen- heit ein Gemeingut werden konnte, die Buchdruckerkunst (1440). Diesefand in der Vervielfältigung und Verbreitung der alten Classiker ihre erste und edelste Beschäftigung; sie wurde die Dienerin der allmählich fortschreitenden, allgemein verbreiteten Intelligenz, die den Haupt- charakter und das unsterbliche Eigenthum unserer Jahrhunderte bildet. Auch die Kunst hatte begonnen, sich in verändertem Geiste zu verjüngen; die Malerei war in der byzantinischen Schule durch griechische Künstler wieder erweckt worden, nahm bei den italienischen Mei- stern einen neuen Aufschwung und ge- wann durch eine niederländische Erfin- dung, die Oelmalerei, unglanbliche Vor- züge. Im 15. Jahrhundert war Ita- lien der allgemeine Sitz der schönen Künste und feierte schon im nächsten deren Blüthezeit; von Italien lernten Frankreich, Deutschland und die Nieder- lande; und wie es im Alterthum und Mittelaller in verschiedenen Beziehungen die Beherrscherin der Menschheit war, so wurde es in der neuen Zeit deren Lehrerin. Zugleich erhielt die ganze Kriegs- verfassung eine Umgestaltung durch die allgemeine Anwendung des Schießpulvers und die Einfüh- rung stehender Heere. Die Kunde des Schießpulvers, wovon sich bei den Chinesen und alten Indern schon frühe bestimmte Spuren nachweisen lasien, wurde durch die Mauren nach Spanien gebracht und war schon um die Mitte des 13. Jahrhunderts in verschiedenen Ländern Europa's bekannt, ohne daß man die Kraft seiner Elasticität erforscht oder angewandt hätte. Die Erfindung von Feuerwaffen wird um das Jahr 1380 gesetzt und deutschen Mönchen, be- sonders Berthold Schwarz, zugeschrieben. Allein schon zu Anfang des 13. Jahr- hunderts ward Feuergeschütz von den Arabern in Spanien gebraucht, kam von da zunächst nach Flandern und dann nach Frankreich. Die erste Ausbildung erhielt das Geschützwesen in Frankreich durch Ludwig Xl, in Deutschland durch Kaiser Maximilian I. Den Grund zu den stehenden Heeren legte Karl Vii. von Frankreich. Von jetzt an entschied 18*

2. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 374

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
374 Iv. Naturbilder. 175. Die 1. Die vier Grundsäulen, auf denen die heutige Industrie sicher ruht, sind der Schwefel, das Kochsalz, das Eisen und die Steinkohle. Von diesen vier Naturprodukten ist die Steinkohle am spätesten von den Menschen in Gebrauch genommen worden. Nur die Chinesen scheinen schon sehr frühzeitig die Stein- kohle verwendet zu haben, obschon sie keinen Mangel an Holz hatten. Die ersten sicheren Nachrichten über die Ge- winnung von Steinkohlen liefert uns Belgien. Bei Lüttich war der Stein- kohlenbergbau bereits im Jahre 1198 im Gange. Der Ardennenwald kommt mit dem Namen „Kohlenwald" bereits im Jahre 687 vor. In England, das vorzugsweise mit Steinkohlen ge- segnet ist, grub man schon vor 1234 bei Newcastle Steinkohlen; doch ist wahr- scheinlich, daß bereits die alten Briten und Römer die Steinkohlen kannten und gebrauchten. Wie aber überall das Neue sich erst durch harte Kämpfe Bahn bricht, so standen auch in England zahl- reiche Gegner gegen die Steinkohlen auf. Man verbreitete die Nachricht, daß der Rauch, welchen die Steinkohlen beim Brennen verursachen, der Gesundheit nachtheilig sei. Der Gebrauch der Stein- kohlen wurde daher in England im Jahre 1316 unter Eduard I. verboten. Doch mit dem allmählichen Verschwinden der Wälder in England veranlaßte die Noth die Aufhebung des gegebenen Verbotes; seit dieser Zeit kam die Steinkohle im- mer mehr und mehr in Gebrauch; und mit der Dampfmaschine, die das fließende Wasser und den Wind ersetzen mußte, nahm der Steinkohlenbergbau einen außer- ordentlichen Aufschwung. Seitdem die Steinkohlen in Gebrauch genommen worden sind, hat man sich oft die Frage vorgelegt, wie sind sie entstanden? Da dieser Vorgang nicht vor unsern Augen vor sich geht, sondern die Steinkohlen stets bereits fertig uns entgegentreten, so müßen wir die Ent- stehung gleichsam errathen, d. h. aus den Beobachtungen, die wir in den Stein- kohlenlagern selbst machen, zu erklären Steinkohlen. suchen. Als schon im Jahre 1592 von Balthasar Klein die Ansicht aufgestellt wurde, die Stein- und Braunkohlen seien aus Holz entstanden, sprach man sich andererseits dahin aus, dieselben wären erdpechartige Mineralien, dadurch ent- standen, daß Erdöl die Schichten eines Schieferflötzes durchdrungen habe. Aber viele Jahrhunderte mußten erst vergehen, bevor man durch die Beobachtung und das Experiment dazu gelangte, daß in der That in den Steinkohlenlagern die Reste einer großartigen vorweltlichen Ve- getation begraben lägen und daß diese unter Mitwirkung des Druckes, des Ab- schlußes der Luft und einer erhöhten Temperatur in Steinkohlen umgewandelt worden seien. Alle Beobachtungen lie- fern den Beweis, daß der Ursprung der Steinkohle ein vegetabilischer ist. Es entsteht nun die weitere Frage, auf welche Weise sind die Pflanzen in Stein- kohlen verwandelt worden, in eine Sub- stanz, an der sich mit dem unbewaffneten Auge keine organische Struktur erkennen läßt? Wenn wir uns die aus so großarti- gen Stämmen zusammengesetzten Urwäl- der der Vorzeit vergegenwärtigen, die eine unberechenbare Reihe von Genera- tionen fortwuchsen und alle Abfälle von Aesten, Blättern, Samen, Früchten und vermodernden Stämmen dem Boden wie- der überlieferten, und erwägen, welchen Antheil die Stämme selbst an der Bil- dung der Kohlenlager nahmen, so dürfen wir uns in der That über die ungeheuern Anhäufungen, die uns in den Stein- kohlenlagern entgegentreten, nicht wun- dern. Auch deren Vermehrung läßt sich sehr leicht erklären, wenn man bedenkt, wie schnell heute in tropischen Klimaten großartige Stämme in Verwesung über- gehen. Wurden nun diese vegetabilischen Masten durch gewaltige Fluthen ^über- schwemmt, so erfolgte entweder bei Ueber- fluß von Wasser und ungehindertem Zu- tritt der Luft Verwesung oder bei Aus- schluß derselben, wenn jene Massen mit Erde und Sand bedeckt waren, Vermo- derung, sowie endlich in beiden Fällen

3. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 85

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
44. Franken. 85 ringen, Schwaben, unsere Pfalz, unser Franken, welche — bis auf einige Kreise in Bayern, — nur noch historische Er- innerungen haben. Aber wer wollte sagen, daß sie, obgleich nach 1805 von den Karten verschwunden, deßhalb in unseren Gemüthern, in unseren Sitten und Gewohnheiten, in der Verschieden- heit unserer Dialekte, in unsern Liedern nicht mehr fortlebten? Noch schlägt das Herz des Nürnbergers, des Würzburgers, des Bambergers, der sich in der Ferne befindet, feuriger, wenn er die breite, tieftönende, kräftige Mundart vernimmt, die seine Landsleute und er selbst reden, wenn der Name „Franken" vor seinem Ohre genannt wird, ein Name, der ehe- dessen so hohen Klang besaß, zu Anfang unseres Jahrhunderts von den Landkarten verschwand und erst in neuester Zeit wie- der durch Benennung dreier bayerischen Kreise zu Ehren gebracht wurde. Franken — es ist der freundliche Name eines freundlichen Landes. Weit, fruchtbar und lieblich breitet es sich im Herzen von Deutschland aus, bedeckt mit den gesegnetsten Fluren, welche alles hervorbringen, was das Vaterland zu seinen edelsten, inbuftrielxen und natür- lichen Erzeugnissen zählt; geschmückt mit großen und berühmten Städten, durch- strömt von schiffetragenden Flüssen, deren Ufer mit dem weichen Laub der Wein- rebe geziert sind, durchzogen von Ge- birgen, in deren Thälern die Sage des Alterthums neben dem Gewerbfleiß wohnt, und überwölbt von einem Himmel, unter welchem der Leistenwein an seinem Fel- senabhange reift. Römische Schriftsteller bezeichneten mit dem Namen Franken jenen ger- manischen Stamm, welcker zwischen der Ostsee und dem Rhein seine wechselnden Sitze hatte und seine Freiheit am wirk- samsten gegen römische Unterdrückung vertheidigte. Wir erblicken fünf bis sechs Jahrhunderte hindurch die Völkerschaften der Franken im Kampf mit den Römern in Gallien, mit den Westgothen, Thürin- gern, Alemaniern, Sachsen, Schwaben; wir sehen sie unter Chlodowig das Christenthum annehmen und zu einer großen Monarchie sich vereinigen. Bis zu diesem Zeitpunkte mußten wir den Namen Franken in seiner Allgemeinheit gelten lassen, unbekümmert um die einzelnen Länderstriche, die er mit seinen Angehörigen bedeckte. Eine unter Geneb ald, dem Bruder Chlodowig's, über den Main- strom geführte Kolonie, welche sich an dessen Ufern niederließ und ausbreitete, gab Veranlassung zu einer Theilung des Begriffs: Franken, bei welchem man nunmehr das westliche von dem östlichen unterschied. Zu ersterem gehörte das ganze weite, jenseits des Rheines gelegene Gebiet, das heutige Frankreich; das andere bildete Frankenland, unser Fran- conia, und die Stelle, wo die Ueber- führung der Kolonie stattfand, ist der Ueberlieferung nach da, wo das heutige Frankfurt sich ausbreitet. Unter Pipin's Sohn, dem großen Karl, war unser Franken ein kleiner Theil des unermeßlichen Reiches, welches dieser Fürst nach und nach unter seinem Scepter vereinte. Und Karl liebte vor- zugsweise die User des Rheins, des Mains und der Saale und verweilte gern innerhalb ihrer heiteren Grenzen. Seine prächtige Pfalz an der Saale, (die Saalburg oder Salzburg bei Neu- stadt a. S.), deren weitläufige Trüm- mer wir noch heute mit Bewunderung erblicken, ist hievon der Beweis. Lieder- und Harfenspiel ertönte oft von dieser Burg über das Thal, wenn der Kaiser innerhalb ihrer Mauern verweilte. Er erfreute sich hier an dem Umgang den- kender und gelehrter Männer, die er aus den entferntesten Theilen seiner Reiche um sich versammelte und unter deren Beistand er Gesetzbücher und weise Einrichtungen für die Regierung seiner Völker entwarf. Ritter- und Mönchthum fanden in Franken den für ihre Entfaltung gün- stigsten Boden in Deutschland. Berühmte Geschlechter tauchten auf und verschwan- den wieder, wie z. B. die der Grafen von Babenberg (Bamberg), Coburg, Rothenburg und andere. Die bischöf- lichen Sitze von Würzburg, Bamberg, Eichstätt nahmen an Macht und Bedeu- tung zu, geschützt und gepflegt von Kaiser und Reich, und von Männern aus reichs- ritterschaftlichen Geschlechtern besetzt, die es größtenteils verstanden, den Glanz

4. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 59

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
35. Bayerns Land und Volk. 59 Bayern erklärt sich auch sein Sinn für Kunst; seine Begabung und Vorliebe für Poesie und Musik sowohl, als für plastische und bildliche Darstellung. Nicht minder bekundet sich dieses „Herz des Bayern" in seiner aufrichtigen Religiosität und ungeheuchelten Frömmigkeit, womit eine felsenfeste Treue gegen das angestammte Herrscherhaus verbunden ist. Wohl sind j die Angehörigen der verschiedenen Volks- ! stämme, die nun Bayerns Einwohner- ! schaft bilden, auch verschieden geartet nach ihrem Wesen, wie sie abweichen in ihrem Dialekt; und leicht mag man den eigentlichen Bayern vom Schwaben, und den Pfälzer vom Franken un- terscheiden; aber das warme offene Herz und das treue, tiefe Gemüth haben sie doch mit einander gemein. Die Altbayern sind ein lange nicht genug gewürdigter, ja oft verkann- ter und unbillig beurtheilter Volksstamm. Es ist wahr, in seinem äußern Auftreten macht der Altbayer, namentlich dem feinen Norddeutschen gegenüber, eben nicht den günstigsten Eindruck. Von Haus aus unzugänglich und zurückhal- tend und schwer ins Gespräch zu brin- gen, ist er kein Freund von schönen Worten und Complimenten, im Gegen- theil derb, und im Bewußtsein seiner innern Kraft stolz und kurz angebunden. Aber man thut ihm doch Unrecht, wenn man ihn deßhalb als grob und roh in Verruf bringen will. Unter der rauhen Schale birgt sich ein gesunder, kräftiger Kern echt deutschen Wesens. Das Kurz- angebundensein des Bayern ist Folge einer gewissen Geradheit, die ihn ver- anlaßt, zu sprechen wie er denkt, wenn er doch einmal den Mund öffnet; und zu schweigen, wo er es nicht der Mühe werth hält, zu sprechen. Ehrlich und offen, jeder Hinterlist und Verstellung fremd, setzt er auch bei Anderen Bieder- keit voraus und sein Wort und Hand- schlag bindet ihn so fest, als ein Eid. Weicher, als man bei seinem derben Aeußern vermuthen sollte, thut er um gute Worte Alles; Falschheit verabscheut er, und Hohn oder Spott können ihn zu heftigem Zorne reizen. Ganz mit Unrecht wirft man den Bayern die 7 */a Mill. Eimer Bier vor, welche ihr Land alljährlich produzirt, und es ist eine der albernsten Behaup- tungen, welche je ausgesprochen worden, daß das Bier verdumme! Wie gern wür- den die Bewohner der nördlichen Länder ihren „Fusel" gegen unsern gesunden Gerstensaft vertauschen! Wer längere Zeit in Altbayern ge- lebt hat, wird sagen müssen, daß er gerade da nur selten Betrunkenen be- gegnet. Die glänzendste Genugthuung für die Altbayern in dieser Beziehung aber ist die zunehmende Verbreitung ihres I Nationalgetränkes in ganz Deutschland, ja in Europa und selbst in den über- seeischen Landen. Wie die Sachsen Lehr- meister des Bergbaues, so sind die Bayern Lehrmeister des Bierbrauens geworden. Welch ein heiterer, lebensfroher Mensch ist der Gebirgsbewohner! Wie malerisch sind seine Häuser gebaut, und welche Reinlichkeit waltet in denselben! Und die sinnigen, kernigen Inschriften daran: sie i erschließen uns des Volkes innerstes frommes und verständiges Wesen. Wer dann diese hübschen Aelpler ihre anspre- chenden Weisen und Jodler singen und mit Meisterschaft die Cither schlagen hört, wird der noch in dem Vorurtheil be- i fangen sein können, daß hier ein rohes, ungebildetes Volk wohne? Mit Stolz auch darf der Bayer auf seine Vergangenheit hinweisen. Sein Volksstamm ist einer der ältesten Ger- j maniens, deutsch durch und durch, kern- haft und muthvoll, und seit den frühesten Tagen hat sich der Ruhm bayerischer ¡ Tapferkeit auf dem Schlachtfelde bewährt. ; Magyaren und Türken, Welsche und Franzosen, Schweden und Dänen haben ' die Wucht des bayerischen Armes kennen ! gelernt, und selbst im jüngsten, so un- ■ heilvollen Bürgerkriege haben die Tapferen j von Kissingen die Ehre der bayerischen Waffen glänzend gewahrt. Was aber noch lichter strahlt als die Tapferkeit gegen äußere Feinde, das ist der treue Bürgersinn der Bayern, der niemals erschüttert wurde, weder in guten noch in bösen Tagen. Wenn die Stimme seiner Wittelsbacher rief, hat sich noch immer das Volk um sie geschaart und für seine Herrscher Gut und Leben ein- gesetzt; es hat für die Verbannten ge-

5. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 60

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
60 Ii. Bilder aus der Länder- und Völkerkunde. blutet und ist für die Geächteten qe- storben. „Erhebend ist mir deine Vaterlands- liebe und der Ruhm deiner durch Jahr- tausende bewährten Tapferkeit und Treue;" — sagt Bayerns edler Geschichtsschreiber Westenrieder, „dein Glaube ist eine Säule deiner Sitten und die Einfalt derselben die Stärke des Vaterlandes. Kein Blatt in der Geschichte ist mit Em- pörung oder Fürstenmord befleckt von euch, ihr Bayern!" Nahe verwandt dein Altbayern an Charakter und Sitte ist der Schwabe. Bieder und treuherzig wie jener, hat er doch einen strebsameren, rührigeren Geist, ist berechnender, unternehmender und hängt schon nicht mehr mit der Zähig- keit am Ererbten, wie sein Nachbar östlich des Lech. Bei der Zersplitterung Schwa- bens in viele Herrschaften, weist dessen Geschichte häufig innere Kämpfe und Reibereien auf; die Anhänger verschie- dener Confessionen wohnen hier neben und durch einander und sie haben durch manche Bitterkeiten gelernt, sich in Friede und Eintracht zu vertragen und Einer die Meinung des Andern zu achten. Schon frühe, da durch Schwaben der große Handelsweg von Italien nach dem Norden führte, erblühten hier Handel und Gewerbfleiß und bis zum heutigen Tage haben sie dort eine hervorragende Pflege gefunden. Darum ist es denn auch erklärlich, daß der Schwabe beweg- licher, zugänglicher und leutseliger sich zeigt, als der Altbayer, und den Ver- besserungen nicht nur im Gewerbs-, son- dern auch im Landwirthschaftsbetrieb weit zugänglicher ist, denn jener. Schon auffallender unterscheidet sich der Franke und der diesem stammver- wandte Rheinpfälzer vom Altbayern. Seit den ältesten Zeiten wird der fränkische Volksstamm als derjenige ge- nannt, welcher allen übrigen in Deutsch- land an geistiger Beweglichkeit, an Bil- dungstrieb und Bildungsfähigkeit voran stand; und diese Eigenschaften sind den Trägern des alten Frankennamens bis auf den heutigen Tag als werthvolles Erbe verblieben. Lebhaft und rasch, heiter und aufgeweckt finden wir den Franken. Wenn der Altbayer zurück- haltend, verschlossen, schweigsam sich zeigt, so der Franke entgegenkommend, zutrau- lich, gesprächig. Des letztem Benehmen ist schon im Aeußern fein und gewandt; er ist mehr gewürfelt und abgeschliffen, als der naturwüchsige Bewohner der bayerischen Hochebene. Dabei hat er aber keineswegs den guten Kern echt deutschen Wesens eingebüßt. Frei und frank, „von der Leber weg" spricht der Bewohner des Mainlandes; Hinterlist und Falschheit verabscheut auch er. Die Gastfreundschaft, welche man an den alten Deutschen so sehr gerühmt, ist ein hervorragender Charakterzug des Franken; der Fremde darf dessen gewiß sein, daß er da herzlich willkommen geheißen und freundlich aufgenommen wird. Der rege Bildungsdrang des Franken wird unter- stützt durch eine große Leichtigkeit der Auffassung und eine gewisse Fähigkeit, Fremdes sich anzueignen. Von jeher sind die zwei Hauptstädte des Franken- landes, Nürnberg und Würzburg, der Sitz edler Künste und Wissenschaften ge- wesen, und den größeren Städten suchten die kleineren und selbst das Land nach- zueifern. Für Volksbildung war vor hundert Jahren in keinem Theile Deutsch- lands so viel geschehen, als im Fürst- bisthume Würzburg; und in unseren Tagen ist Unterfranken in Errichtung landwirthschaftlicherund gewerblicher Fort- bildungsschulen gleichfalls allen übrigen bayerischen Kreisen rühmenswerth vor- angegangen. Als Schattenseite des frän- kischen Charakters hat man schon öfter Unbeständigkeit bezeichnet und in gewissem Sinne eben nicht mit Unrecht. Gegen- über dem heimatseligen Festhalten des Altbayern an der väterlichen Scholle, wie überhaupt am Hergebrachten, be- kundet sich die Beweglichkeit des fränki- schen Wesens in der Wanderlust des Mainländers und in der Leichtigkeit, mit welcher dieser seinen Wohnplatz wechselt. Wenn er sein Glück oder sein Fortkom- men an einem Orte und in der einen Weise nicht findet, so sucht er es eben an einem anderen Orte und in einer anderen Weise; und der alte Volksspruch „Den Franken und bös Geld, Führt der Teufel durch alle Welt," — trifft in dieser Hinsicht schon das Richtige.

6. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 122

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
122 Ii. Bilder aus der Länder- und Völkerkunde. daß sie nicht noch eine größere Aus- dehnung genommen, nicht mehr Menschen- leben gekostet hat; denn außer zweihun- dert Centner Pulver und einer Million Zündhütchen enthielt der Thurm noch 700 Granaten und 240 Zündkugeln. Wären letztere nicht auf dem Boden des Thurmes gelegen und in sich verbrannt, sie hätten die Stadt an fünfzig Stellen zugleich in Brand stecken und so deren gänzlichen Untergang herbeiführen können. Auf welche Weise ist dieses schreck- liche Unglück entstanden? wird der junge Leser schon längst zu fragen versucht ge- wesen sein. Ganz ist dies nicht aufge- hellt; aber mit aller Wahrscheinlichkeit darf angenommen werden, daß es ein Werk leidenschaftlicher Rache und Bos- heit war. Der österreichische Artillerie- Unterofficier Wimmer hatte sich auf unrechtmäßige Weise die Schlüssel zum Thurme zu verschaffen gewußt, und sein Eintritt in denselben ist von der Schild- wache gesehen worden. Der nähere Vor- gang selbst bleibt in ewiges Dunkel ge- hüllt, weil Wimmer mit unter den Todesopfern sich befand. Man nimmt an, er habe aus Rache einem oder dem andern der österreichischen Officiere, die dem Turnfeste anwohnen würden, Ver- derben bereiten wollen. Wenn, — dann ward durch Abbestellung des Festes der höllische Plan vereitelt, Wimmer aber selbst ein Opfer seiner Bosheit. 56. Schwaben. Das Land der Schwaben ist Deutsch- land im Kleinen, wo auf engem Raum alle Manchfaltigkeit des deutschen Daseins sich versammelt. Alle verschiedenen eigen- thümlichen Naturformen treffen hier zu- sammen. Die beiden mächtigsten Ströme Deutschlands, ja Europa's, durchfließen das Land, zwar nur in ihrem Oberlaufe, aber doch schon in männlicher Fülle. Schwaben bewohnen die höchsten Alpen- gauen, das Rheinthal wie die Hochebenen der Donau, das hohe Waldgebirge des Schwarzwaldes wie die öden Rücken und anmuthigen Thäler der Alp. Das Land zwischen Lech und Schwarzwald, besonders bis zur Iller, gleicht durch Klima und Oberfläche dem norddeutschen Küstenlande. Vielfach gestaltet und zerstückelt, wie der Boden, ist auch das bürgerliche Leben des schwäbischen Landes, das auch hierin ein Bild Deutschlands ist. Die großen durch Naturgrenzen bezeichneten Land- schaften des schwäbischen Bodens tragen heute das Loos, welches ihre geographische Lage ihnen angewiesen hat. Das Elsaß ist an Frankreich gefallen, das gegenüber liegende rechte Rheinufer an Baden, Unterschwaben (zwischen Iller und Lech) an Bayern. Nur das Land am Neckar und seinen Zuflüssen hatte sich schon früh unter dem Schutz eines einheimischen Herrscherhauses gesammelt, das sich durch Tapferkeit, Besonnenheit, guten Haushalt aus kleinen Anfängen allmählich erhob. Seit der neuen Gestaltung der deutschen Sachen gehorcht ihm auch das alte Ober-Schwaben bis an die Iller. Sein Gebiet trägt den Namen des Stamm- schlosses, Württemberg. In der Lage und Versplitterung des Bodens spiegeln sich die Schicksale seines Volkes. Auf den zahlreichen Ritterburgen des Schwabenlandes, wo die hohen Grenz- gebirge des Südens und Westens, Ita- liens und Frankreichs vor dem Blick ausgebreitet sind, der Gedanke hinüber- schweift und dem Lauf des Rheins, der Donau, der Rhone nach Mitternacht, Morgen und Mittag folgt, wo deutsche Dichtung zuerst liebevolle Aufnahme und bleibende Stätte fand: da blühte eine kühne Ritterschaft voller Kampflust und leben- diger Einbildungskraft. Fast alle mäch- tigsten Fürstengeschlechter Deutschlands haben ihre Stammsitze auf schwäbischem Boden. Von da aus zogen die Hohen- staufen über die Alpen und fanden Ruhm und Untergang im italienischen Lande, von wo her sie Kunst, Poesie, Wissenschaft dem deutschen Vaterlande zugebracht hatten. Hier auch sind die Wurzeln jenes zweiten Heldengeschlechtes, welches wagen konnte, den mächtigen Hohenstaufen die Herrschaft streitig zu machen und welches gebot vom Mittel- meere bis zur Nordsee: das Geschlecht

7. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 105

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
49. Deutsches Land, deutsches Volk und deutsche Sprache. 105 Eben so zeichnet sich der Deutsche durch seine innige Heimatliebe aus. Heimweh ist nicht nur ein ächt deutsches Wort, sondern es bezeichnet auch ein ächt deutsches Gefühl. Von Niemand auch ist diese Heimatliebe in so warmen Worten geschildert, in so ergreifenden Weisen besungen worden, als von deut- schen Dichtern und Sängern von der ältesten Zeit bis auf den heutigen Tag. Schmerzlich ist deni Deutschen der Abschied vom Vaterhaus, von seinen Lieben und Theuern, und durch hunderte von Liedern klingt das Wort: Scheiden thut weh! Und doch gibt es, merkwürdig genug, auf der weiten Erde kein wanderlustigeres Volk, als gerade das deutsche. In Deutsch- land finden wir die fahrenden Schüler schon im Mittelalter, und heute noch wandern die Studenten mit dem Ränzel an der Seite heiter durch Feld und Wald. Nur in Deutschland war das Wandern der Handwerksburschen allge- mein üblich, und in alter Zeit trieb die Wanderlust selbst die Lanzknechte unruhig von einem Orte zum andern. Kein Kind eines anderen Volks gedeiht aber auch so leicht auf fremdem Boden. Der Deutsche ist vorzugsweise geschickt zur Colonisation, und wo er sich ange- siedelt, da verwandelten sich öde Gegen- den in blühende Gefilde. Es ist überhaupt eine glückliche An- lage des Deutschen, sich leicht in fremde Art einzuleben, fremdes Wesen zu be- greifen und sich anzueignen. Das deutsche Volk scheint berufen, der Vermittler aller Völker auf geistigem Gebiete zu sein; denn mit der Fähigkeit, Fremdes mit Einheimischem zu verschmelzen, steht auch die in Verbindung, geistig anregend und mittheilend auf andere Völker zu wirken. Aber diese Eigenthümlichkeit des Na- turells hat auch ihre Schattenseite. Nur zu leicht unterschätzt der Deutsche das Einheimische, welches „nicht weit her" ist, und das Sprichwort „der Prophet gilt nichts in seinem Vater- lande" findet nirgends so vielfach Be- stätigung, als gerade in Deutschland. Dagegen gefällt sich der Deutsche häufig in blinder Verehrung und thörichter Nachäffung des Fremdländischen, und in der Fremde gibt er nur zu leicht sein heimatliches Wesen auf und ver- gißt schnell sein ehemaliges Vaterland. Auch vermißt man am Deutschen jenes stark ausgeprägte Nationalgefühl, welches z. B. den Franzosen und Engländer beseelt. Nirgends sonst auch sind deß- halb die Glieder eines Volkes so oft gegen einander in Waffen gestanden, als in Deutschland. Wenn uns die lebendigeren Franzo- sen und Italiener auch Langsamkeit und Unbehülflichkeit zum Vorwurfe machen, so brauchen wir uns deßhalb nicht be- leidigt zu fühlen, denn diese Langsam- keit ist meist nur Folge einer lobens- I werthen Gründlichkeit und Bedächtigkeit, welche erst überlegt, und dann handelt. Im Fleiße können sich weder Franzosen noch Italiener mit dem Deutschen messen. Scherzweise pflegen uns auch unsere Nach- barn das „Volk der Denker — und Träu- mer" zu nennen, welches über den: Sin- nen und Grübeln das praktische Thun versäume. Auch damit ist es nicht so schlimm bestellt. Das Volk der Denker kann sich das deutsche rnit Recht und in allem Ernste nennen; denn die Wissen- schaften haben bei uns eine Pflege ge- funden, wie kaum in einem anderen Lande; und namentlich darin steht Deutsch- land einzig da, daß geistige Bildung nicht bloß ein Vorrecht einzelner Stände, sondern ein Gemeingut des ganzen Volkes ist. Selbst das stolze, freie England steht hierin weit gegen Deutschland zu- rück. Deutschland zählt allein gegen 62000 organisirte Volksschulen! Und das „Träumen", insoferne damit unser Versenken in die Tiefe der Kunst, be- sonders in Musik und Dichtkunst, gemeint ist, wollen wir uns auch gerne vorhal- ten lassen. Gerade in Musik und Dicht- kunst hat der deutsche Geist seine köst- lichsten Blüthen getrieben. Mit Stolz darf das deutsche Volk auf die edlen Werke seiner großen Dichter, mit Stolz auf die Meisterschöpfungen seiner Ton- künstler blicken. Wie geistige Bildung, so wurzeln auch Musik und Dichtkunst tief im Volke selbst und veredeln und verschönern dessen Dasein. Ueberall in Deutschland, — die nördlichen Küsten- striche ausgenommen —, namentlich aber im gebirgigen Süden, lebt die Sanges-

8. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 106

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
106 n. Bilder aus der Länder- und Völkerkunde. lust und Sangeskunst in Stadt und Land! Daß aber des Deutschen eigenstes Wesen im innersten Kerne gut ist, das erkennen wir vorzüglich aus dem tiefen Gefühl für das Heilige, für Recht und Sitte, wie es im Großen und Ganzen unserm Volke inne wohnt. Kein Volk hat das Christenthum so tief in sich Wurzel schlagen lassen, keines ist in dem Grade dessen Träger geworden, als das deutsche. Dem Deutschen ist Reli- gion kein leeres Wort, er begnügt sich nicht mit äußeren Formen; ihm wohnen Christusglaube und Christusliebe leben- dig im Herzen. Wohl ist das deutsche Volk oft nur ein Spielball gewesen in den Händen seiner gewandtem, thatkräftigern, freilich auch weniger ehrenhaften Nachbarn; es hat bei dem Kampfe um große Welt- fragen oft nur als leidender Zuschauer Theil genommen, ja es hat sich edle Glieder an seinem eigenen Leibe abreißen 3) Die dcu Eines Volkes Geist und eigenstes Wesen spiegelt sich am treuesten in seiner Sprache ab. Darum achtet auch jedes Volk seine Muttersprache hoch und hält sie in Ehren. Dem deutschen Volke muß seine Sprache doppelt ehrwürdig und theuer sein; denn ihr verdankt es seinen Gesammtnamen, und sie ist zur Zeit fast noch das einzige Band, welches die getrenn- ten Glieder der einen Nation umschlingt. Unter allen lebenden Sprachen ist die deutsche eine der ältesten, reinsten und ausgebildetsten; sie ist reich an Wohl- laut und vereinigt Kraft und Anmuth. Die deutsche Sprache ist ein Zweig des germanischen Sprachastes, welcher außer ihr noch andere, theils schon ab- gestorbene, theils noch lebende Zweige getrieben hat; von den ersteren seien ge- nannt die gothische und angelsächsische Sprache, von welch' beiden uns schriftliche Denkmäler überliefert wurden; von den letzteren die nordischen Sprachen: das Dänische, Schwedische, Norwegische, Is- ländische. Der germanische Sprachast aber ist dem indogermanischen Sprachstamm entsproßt und hat zu Geschwistern in Europa den keltischen, griechisch-romani- lassen. In stille Geistesarbeit versenkt, im innerlichen Ringen nach Lösung der höchsten Fragen menschlicher Erkenntnisse hat es, dem Handeln scheinbar entfrem- det, den Druck des Auslandes ertragen. Nie aber hat es sich dauernd in Fesseln schlagen lassen; wie ein aus dem Schlafe erwachter Riese hat es dieselben mit kräftiger Hand stets wieder zerbrochen. Das Unglück hat die Deutschen immer wieder zum Bewußtsein ihrer Kraft und zu erfolgreichem Handeln aufgerüttelt. Aber, wie gering auch die Macht war, welche Deutschland in den jüngsten Jahrhunderten nach Außen besaß, es hat durch sein allseitiges geistiges Streben, durch sein inneres Kämpfen und Ringen das wahre Wohl der Menschheit mehr gefördert als andere Nationen, welche, weil sie zu Macht und Reichthum gelangt, mit stolzer Verachtung glauben auf das Volk „der Denker und Träumer" herab- sehen zu dürfen. schc Sprache. schen und slavischen Sprachast. Ihre ge- meinsame Wurzel haben diese Sprachen im Sanskrit, einer asiatischen, altindischen Sprache. Wie groß auch in Deutschland der Unterschied der Mundarten sein mag, namentlich der Unterschied zwischen Ober- und Niederdeutsch: die Einheit der Ab- stammung läßt sich doch nirgends ver- kennen. Insbesondere ist das Hochdeutsch allenthalben die Schrift-, Schul-, Kirchen- und Gerichtssprache und dadurch Gemein- gut nicht bloß der Gebildeten, sondern. Dank unserer zahlreichen Volkschulen, auch des gesammten Volkes geworden. Die deutsche Sprachgrenze fällt mit der gegenwärtigen politischen Grenze Deutsch- lands durchaus nicht zusammen; auch hält sie sich keineswegs ganz an die natürlichen Grenzen; sondern bald überschreitet sie diese, bald bleibt sie hinter denselben zurück. Im Westen zieht die Sprachgrenze südlich von Brüssel durch Belgien, wo sich Deutsch-Flämisch und Französisch- Wallonisch gegenüber stehen, wendet sich nach Ueberschreitung der Maas, südlich von Aachen, der westlichen Grenze Rhein- preußens und holländisch Luxemburgs entlang, gegen Süden bis in die Nähe

9. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 108

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
108 Ii. Bilder aus der Länder- und Völkerkunde. 9. Jahrhundert — behaupten sich noch mehrere Mundarten gleich berechtigt neben einander, und es sind die fränkische, ale- mannische oder schwäbische und bayerische die vornehmsten. Das Mittelhochdeutsche, dessen Periode von der Mitte des 12. Jahr- hunderts anhebt, ist vom Althochdeutschen schon sehr verschieden. In diesem Zeit- raum war es namentlich die schwäbische Mundart, welche durch die Dichter (Minne- sänger) eine höhere Ausbildung erhielt. Indessen hat weder die schwäbische noch die oberdeutsche Mundart überhaupt zu dieser Zeit ausschließliche Geltung als Schriftsprache in Deutschland besessen, und in Niederdeutschland namentlich war auch die niederdeutsche Mundart Schriftsprache. Erst zu Anfang des 16. Jahrhunderts begann ein oberdeutscher Dialekt, der ober- sächsische, sich zur gemeinsamen Sprache der Gebildeten Deutschlands zu erheben. Wenn eine Mundart zu solch' allgemeiner Anerkennung gelangen sollte, so mußte sie die schroffen Gegensätze zwischen Ober- und Niederdeutsch vermitteln, und das war bei der obersächsischen oder Meißner der Fall; sie stand, wenn gleich ihreln Wesen nach oberdeutsch, doch dem Niederdeutschen nicht gar zu ferne und die nach Norden offene Lage Sachsens mußte einer Verbreitung der einheinüschen Mundart nach Niederdeutschland sehr zu statten kommen. Hierzu traten noch zwei begünstigende Umstände: Gegen Anfang des 16. Jahrhunderts hatte sich in den sächsischen Ländern eine bessere Art ge- schäftlicher Prosa (der sächsische Kanzlei- stil) gebildet, welcher anderwärts um so leichter Anerkennikng und Nachahmung fand, als der sächsische Hof damals in hohem Ansehen stand. Endlich verfaßte Luther seine bald allgemein verbreitete Bibelübersetzung in dieser Mundart, was für ihre Herrschaft entscheidend wurde. Indessen ist das schriftgemäße Hochdeutsch keineswegs gleich der obersüchsischen Mund- art, nicht einmal in der Zeit seiner frühesten Entwicklung, noch weniger in seiner gegenwärtigen Gestalt. Es hat sich dem Einflüsse anderer Dialekte in gewissem Maße hingegeben und dadurch an Reichthum und Ausbildung nur ge- wonnen. Vom 16. Jahrhundert bis auf den heutigen Tag hat unsere Sprache wohl noch manchfache Veränderungen erfahren, ohne daß aber zwischen dem heutigen Hochdeutsch und dem, welches Luther schrieb, eine tiefe Kluft läge. Der unselige Einfluß des dreißigjäh- rigen Krieges machte sich auch auf die deutsche Sprache geltend. Besonders nach- theilig wirkte die Sucht, fremde, zunächst lateinische und dann französische Wörter der deutschen Sprache beizumengen. Der Mißbrauch nahm eine solche Ausdehnung an, daß in dem zierlichsten Deutsch jener Zeit fast jedes dritte Wort ein fremdes ist. Seit dem neuen Aufschwung unserer Dicht- kunst und, als damit zusammenhängend, der Veredlung und Läuterung unserer Spra- che, trat dieser Uebelstand zwar etwas zu- rück; aber immerhin lassen die meisten unse- rer Schriftsteller in Bezug auf Reinheit der Sprache noch manches zu wünschen übrig. Pflicht ist es für jeden Deutschen, seine schöne Muttersprache immer besser und gründlicher kennen zu lernen, immer tiefer in den Geist derselben einzudringen und sich möglichste Sicherheit und Ge- wandtheit in deren schriftlichem und münd- lichem Gebrauche anzueignen. „Du Deutscher, weß Standes und Geschlechts, weß Alters und Berufs du auch seiest, trage das Deine oazu bei, daß die Reinheit und Keuschheit und Kraftfülle deiner Muttersprache gewahrt bleibe! denn das gesprochene Wort ist der Leib des Gedankens, und gleichwie eine gesunde Seele nur in einem gesun- den Körper wohnen kann, also gelangt auch nur in einer gesunden, unverfälschten, un- verstümmelten Volkssprache ein gesunder, tüchtiger und starker Volksgeist zur Reife." Was Friedrich Rückert, der wie keiner sonst ein Meister der deutschen Sprache war, schon vor 1866 vorausahnend ge- sungen, das muß in der Gegenwart, wo wir den Riß durch die deutsche Nation so tief klaffen sehen, nur um so lauter als ernste Mahnung an unser Herz schlagen: „Was habt ihr denn noch Großes, Allge- meines ? Welch' Band, das euch als Volk umschließet? — Seit ihr den Kaiserscepter brechen ließet, Und euer Reich zerspalten, — habt ihr keines! Nur noch ein einz'ges Band ist euch geblieben, Das ist die Sprache, die ihr sonst verachtet; Jetzt müßt ihr sie als euer Einz'ges lieben."

10. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 153

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
H 72. Asien. Asien ist nicht nur der größte aller Erdtheile, sondern es steht auch mit allen übrigen in näherer Berührung, als irgend ein anderer. Mit Europa und Afrika hängt es unmittelbar zusammen, mit ersterem auf der großen Strecke vom arktischen bis zum schwarzen Meere, mit letzterem durch die Landenge von Suez; von Amerika ist es bloß durch die 8 Meilen breite Behringsstraße ge- trennt, und überdies bilden die Aleuten ebenso eine Ueberbrückung von Kamt- schatka nach der Halbinsel Alaschka, wie die indische Jnselflur von Hinterindien nach dem Festland von Australien. Aber nicht nur durch seine Lage in Mitte der andern Erdtheile, sondern auch durch seine innere Beschaffenheit war Asien vor allen geeignet, die Wiege des Menschengeschlechtes zu wer- den. Es vereinigt in sich die Eigen- thümlichkeiten aller Zonen und Cultur- verhältnisse, und es konnten hier die wandernden Bewohner vorbereitet wer- den für die verschiedenen Landesnaturen der benachbarten Erdtheile, wohin von der Mitte, dem kolossalen Hochlande aus, zahlreiche Stromsysteme, nach den verschiedenen Richtungen ausgehend, die Bahn öffneten. Uebereinstimmend mit den Berichten der Bibel weisen auch die ältesten Sagen der asiatischen Völker nach dem Inneren von Asien als Heimat des Menschengeschlechtes hin, und zwar wird die Gegend um den Hindu-Khu als dessen Wiege bezeichnet. Diese An- nahme erhält durch den Umstand eine mächtige Stütze, daß das dort heimische Sanskrit die gemeinsame Wurzel fast aller europäischen Hauptsprachen bildet. Asien ist also auch für die Geschichte des Menschengeschlechtes das Land des Orients, des Aufganges. Es ist der Ursitz aller Gesittung, der Ausgangs- punkt der gesammten Weltgeschichte. Von Asien aus sind die Völker vorge- drungen über Nordafrika nach Europa und haben die Bildung nach Westen ge- tragen bis hinüber nach Amerika; wie die Kultur des letzteren eine Tochter ist der europäischen, so diese eine Tochter der asiatischen. Ehe man noch wußte, daß ein Festland Europa als Anhängsel des großen asiatischen Continents vor- handen sei, ja vielleicht ehe noch ein Hirte oder Jäger über die Wolga oder den Ural vorgedrungen war,, blühten im Orient schon Reiche, herrschten Könige in Palästen und Städten über Millionen von Unterthanen, forschten schon Weise in den Geheimnissen der Sterne, ließen schon Priester zu Ehren der Götter ober- und unterirdische Tempel bauen, kämpf- ten schon Völker mit Völkern auf Leben und Tod. Aber diese frühe und glän- zende Bildung ist auf einem Punkte stehen geblieben; das Völkerleben in den Reichen des Ostens hat sich verknöchert, die Asiaten sind trotz ihres hohen Alters heute noch unmündige Glieder der Mensch- heit. Wohl ist der schönste, kraftvollste und begabteste Menschenstamm, der kau- kasische, in Asien zu Hause; aber erst in Europa ist er zur vollen Entwicklung gelangt. Auch das Christenthum, welches neues Leben in die versunkene Mensch- heit brachte, ist asiatischem Boden ent- sprossen: aber die edle Pflanze mußte erst nach Europa getragen werden, um hier zum großen, blüthe- und früchte- reichen Baume empor zu wachsen. Der Bildungsstrom, der jetzt von Europa aus nach allen Gegenden sich ergießt, wendet sich auch nach Osten, nach seinem Quelllande, wieder zurück, und es scheinen insbesondere zwei euro-
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